Und was hat dieses jahr mit mir gemacht, mit mir persoenlich? Zweifelsohne hat es mich veraendert, andererseits weiss ich , ich bin immer noch die Gleiche.
Garantiert aber weiss ich, dass mich das leben hier gluecklich gemacht hat. Und mit dem Leben hier meine ich sowohl die Zeit, in der ich taeglich zur Arbeit gefahren bin, meine taeglichen Arbeiten erledigt habe, am Wochenende nach Phnom Penh gegangen bin und Freunde gefunden habe, wie auch die Zeit des Rumreisens – der interessanten Orte sehen, immer wieder neue Leute kennen lernen und mich immer widedr von ihnen – haeufig unglaublich wehmuetig – zu verabschieden, aus meinem Rucksack zu leben, kein Zuhause zu haben, oft nicht wissen, wo ich die naechste Nacht sein werde und alle paar Tage meinen Standort wechseln, meinen Rucksack, dass nun mein Zuhause ist, auf den Ruecken schwingen und zu dem naechsten ort, wo neue menschen, neue plaetze, neue Sehenswuerdigkeiten und vielleicht eine neue Sprache und Waehrung warten werden.
Was liebe ich so an Asien? Ganz klar, was mir da als erstes einfaellt. Die Menschen. Besonders in kambodscha, jeder ist freundlich. Und damit meine ich sowohl die Einheimischen wie auch die reisenden. Ich habe das gefuehl, ich kann zu jedem gehen und aus heiterem himmel ein Gespraech anfangen und das einzige Problem, das aufkommen koennte, ist, dass derjenige kein englisch spricht. Aber auch nonverbal – jeder scheint einen anzulaecheln, jeder scheint gluecklich und zufrieden zu sein und sich am Tag zu erfreuen. Und das ist ganz egal wann – sei es im groessten Verkehrschaos, wo einen Motofahrer, die versuchen, ihren Weg durch den Verkehrsdschungel zu bahnen, einen anlaecheln, auf der Strasse, wo man mit Strassenkindern spielt oder von bettelnden menschen unglaublich gutmuetig angelaechelt wird, auch wenn man nichts gibt oder im bus, wenn man schon seit 3 std eine Verkehrspanne hat, seit 10 std unterwegs ist, die Klimaanlage ausgefallen ist und die menschen dennoch geduldig vor sich hin laecheln. Hier werden einem staendig Dienstleistungen angeboten (Motofahrten, Touren, Tuktukfahrten, Drogen, Prostituierte, essen, trinken, Sacks, andere Kleinigkeiten). Die Anbieter sind meistens Bitterarm und dennoch – wenn ich nein, danke sage und sie anlaechle, bekomme ich das strahlendste Laecheln der Welt zurueck.
Und ich glaube, diese Lebensfreue, diese lebensenergie, die faerbt ab. Wemn ich in deutschland in einen Bus steige und alle menschen muerrisch auf den Boden schauen, werde ich auch unzufrieden. Und hier ist es nun mal andersrum. Ich laechle mit den Menschen mit, wenn wir im Staub ind er Hitze am Strassenrand auf die Busreperatur warten.
Und was ich hier geniesse ist auch : man hat Zeit. In Deutschland hatte ich nie das Gefuehl, ich haette Zeit. Bzw. Wenn ich Zeit hatte, hatte ich immer etwas, was ich mit dieser Zeit anfangen konnte, immer etwas zu tun, immer etwas auf meiner to-do-Liste. Und hier? Ich kann hier, ganz ohne Schuldgefuehle (!) auch einfach mal eine oder 2 Stunden am Strassenrand oder in meiner Haengematte sitzen und nichts machen – nichts! In Deutschland habe ich mich dann immer schuldig gefuehlt. Relaxen, ja, aber nichts tun? Das ging nicht!
In Afrika gibt es ein Sprichwort, welches dem weissen Mann gegenueber oft angewendet wird: “Ihr habt die Uhren, aber wir haben die Zeit.” Wie wahr und wie zutreffend es auch auf Kambodscha ist!
Ich wurde in diesem jahr also erstmal unglaublich geduldig. Wenn ich mich an Deutschland erinnere, dann war eine 4 std fahrt eine Ewigkeit fuer mich. Wenn ich hier 4 Std vor mir habe, bin ich froh. Auch ueber eine 7 oder 8 Std fahrt freue ich mich, es gibt mir Zeit zum Nachdneken, zum Musikhoeren, zum lesen, zum aus dem Fenster starren, zum meditieren. Eine lange Busreise ist fuer mich nur noch etwas ueber 10 Stunden. Und schon vorher addiere ich immer 2 stunden mehr auf jede Busfahrt, was sich haeufig bewahrheitet hatte, aufgrund von Verspaetungen, Pannen, Wetterverhaeltnissen oder etlichen Stops auf dem Weg.
Ich gewoehnte mich an das einfache , locale Leben. Ich wollte so leben wie die Einheimischen. Ich verstand nicht, was an mir als Tourist besser sein sollte. So gewoehnte ich mich daran, auf steinhartem Boden zu schlafen, in klamotten schwimmen zu gehen, mit fingern zu essen, hocktoiletten und Eimerduschen zu benutzen, die verhaltensregeln zu verinnerlichen, mehr auf Boeden als auf Stuehlen zu sitzen, mein Besteck mit einem papiertaschentuch zu saeubern bevor ich es benutzte, mein Gesicht in einen Schal zu wickeln, wenn es staubig war, durch knietiefes Dreckswasser zu waten, manchmal eiskalt zu duschen, dreimal taeglich Reis zu essen, aus Kokosnussschalen und bananenblaettern zu essen, mich mit 3 bis 5 leuten auf ein fahrrad oder ein moto zu quetschen und mit 8 bis 12 leuten in ein taxi, und und und
Und ich gewoehnte mich so sehr an das Leben, oft fiel mir gar nicht auf, wie sehr ich westliche Verhaltensweisen abgelegt hatte. So gab es einige Stuationen, in denen mich andere darauf ansprachen. Einen Moment, den ich gerade im Kopf habe, war auf einem markt mit einem Kumpel in Indonesien. Nach all dem matsch auf dem markt waren meine Fuesse mit Dreckspritzern, die uebel rochen, bedeckt. Ohne Nachzudenken ging ich zu einem Nudelstand, umrundete ihn da auf der anderen Seite eigentlich immer wasserbehaelter sind, fand einen grossen Krug voller Wasser,nahm die Schuessel, die darin schwamm haruas, reinigte fix meine Fuesse und Flip flops und bedankte mich beim Ladenbesitzer. Das war eine sache von 2 Minuten und mein freund starrtre mich an und sagte: weisst du, dass du diese sachen so selbstverstaendlich wie ein einheimischer machst? Du wirkt wirklich wie ein local, wie selbstverstaendlich du dich hier fortbewegst.
Ich wurde bewusster. Und dabei muss ich sagen, ein grosser teil dieser Entwicklung hat sich erst in den letzten 4 oder 5 monaten, auf meinen Reisen entwickelt. Ich musste begreifen, dass ich nicht alles 100% wie die Einheimischen machen musste. Und als ich bemerkt, dass ich einige sachen wider besseren Wissens machte, einfach bloss, da ich die Einheimischen kopierte, schaemte ich mich. So zum Beispiel die muellentsorgung. Anfangs was es ein Horror fuer mich, die Muellentsorgung hier zu sehen – die nichts mehr ist, als Muell im graben verrotten zu lassen oder ihn zu verbrennen. Doch ich passte mich an und versuchte, mich daran nciht mehr so zu stoeren. Bis ich irgendwann merkte, dass ich mich so sehr angepasst hatte, dass ich mich ebenso wie die Einheimischen verhielt und es widerte mich an. Wenn ich Muell im Auto hatte, machte ich das Fenster auf und schmiss ihn heraus. Ich schaute mich teilweise gar nciht mehr nach Muelleimern herum, sondern schmiss meinen Muell dorthin, wo ich grad stand.
Nun versuche ich es wieder verantwortungsvoller zu machen. Zwar sind haeufig keine Muelleimer vorhanden, doch dann versuche ich, den Muell so lange zu tragen, bis ich zu einer der Muellsammler komme, der den Muell in einen karren packt oder zu einem grossen Haufen von Muell. Ich bin wieder dahin zurueckgegangen, was ich schon begonnen hatte; Meine eigenen Taschen mitzunehmen und, sooft es ging, plastiktueten abzulehnen.
Ich vernachlaessigte Hygiene. Nicht meine eigene Hygiene. Auch hier kopierte ich die Einheimischen. Die kambodschaner sind die saubersten Menschen, die ich kenne. Sie duschen haeufig 2 oder 3mal taeglich und sie waschen ihre Klamotten nach 1 oder 2 tagen tragen. Doch sie haben keinen Sinn von Hygiene z.b. Beim essen. Das Fleisch auf dem markt liegt den ganzen tag in der Sonne und ist mit Fliegen bedeckt, jeder fasst alles an, passanten lassen ihre haende durch Reissaecke streifen und spielen mit dem Reis oder pulen in einer Zuckermasse herum, Gemuese wird nciht gewaschen und haende werden weder nach dem Toilettengang, noch vor dem kochen oder dem essen gewaschen, seife ist praktisch nonexistent. Die Menschen wissen cnihts von bakterien.
Ich versuchte nach einigen Monaten, eine gute Balance zu finden. Eine Stimme in meinem Kopf sagte; Ja, aber die menschen hier essen nunmal so. Und eine andere Stimme sagte: ja, aber wie hoch ist ihre lebenserwartung? Und auch nach einem jahr hast du noch immer ein anderes immunsystem!
So setzte ich auf hohe hygiene, wenn ich selbst kochte, brachte es aber nie ueber mich, eine Mahlzeit zu verweigern, bloss weil ich wusste, dass es nicht nach “westlichen Hygienemassnahmen” gekocht wurde.
Ich versuchte, verantwortungsbewusst zu reisen. Ich versuchte, bei den kleinsten marktstaenden einzukaufen, bei den aermeren familien zu essen. Ich versuchte, solange ich keinen Lieblingsplatz hatte, mein Geld aufzuteilen: Nicht immer alles im gleichen laden kaufen, sondern dies hier und das dort. Ich tendierte zwar dazu, meine Lieblingsplaetze zu haben (so kaufte ich jeweils mein Gemuese, mein Obst, mein brot, meine Fruchtshakes, mein Mittagessen, mein Abendessen und meine Softdrinks an verschiedenen, doch immer den gleichen Staenden), doch dann auch bloss, wenn die verkaeufer besonders nett waren (die Verkaeufer der letzten Stande wurden sozusagen meine Freunde 😉 ) oder ihre Ware besonders gut war.
Im Gegensatz zu vielen Reisenden suchte ich mir die aermsten Motofahrer aus, wenn ich einen brauchte. Und ich bekam ein gutes Auge dafuer, wer arm war und konnte es an ihren klamotten und ihrem gesicht erkennen. In phnom Penh hatte ich fast ein dutzend der Motofahrer als freunde und wir verbrachten viele abende quatschend und bier trinkend in ihren tuk tuks, waehrend sie auf kundschaft warteten. Doch , sobald ich transport brauchte, versuchte ich, einen der 2,3 aermsten motofahrer zu nehmen. Und ich dachte immer, der braucht das geld viel mehr, als der andere, der viel chicer aussieht (und aus dem Grunde vermutlich auch mehr Geld machte, da mehr Touristen dazu tendieren, zu dem schicken Tuk tuk fahrer mit gutem englisch und guten Klamotten, zu gehen). Dadurch habe ich schon so einige gute Freunde gemacht.
Ich bin viel ruhier und relaxter geworden. Ich erinnere mich wie ich immer schnell gegangen bin in Deutschland – auch wenn ich ziemlich kurze Beine habe, mein normales Gehtempo war sehr schnell. 😉 In den letzten 12 Monaten habe ich gelernt, langsam zu gehen, ja, den gang zu geniessen – wieso denn ueberall hin hetzen? Gehen um des Weges, nciht nur des Zieles wegen. Die meisten kambodschaner haben ein sehr langsames Gehtempo und ich habe mir das angeeignet. Ich erinnere mich an viele Reisepartner oder freunde, die mit mir laufen und sich immer wieder abstoppen mussten, da sie mir weg rannten. Und wenn ich sie fragte – wieso beeilst du dich denn so? Konnten sie mir keine Antwort geben.
Am Anfang war es noch unglaublich spannend fuer mich, andere reisende kennen zu lernen. Sie alle hatten Geschichten, sie alle waren interessant und wir hatten immer alle was gemeinsam: wir hatten unser Heimatland verlassen um zu reisen, in suedostasien!
Nach einigen monaten wurde ich dieser Reisenden allerdings muede. Es war immer das gleiche, immer die gleichen Fragen:Woher kommst du ? Wie lange bist du unterwegs? Welche laender bereist du? Wie heisst du? Waren die 4 standartfragen, die immer, in variierender reihenfolge, als erstes kommen. Ich fing also an, auch bei reisenden zu unterscheiden, war nicht mehr nur auf Smalltalk aus. Ich beobachtete menschen und sprach sie an, wenn ich den Eindruck hatte, sie konnten mich ueberraschen oder mit ihnen war ich auf einer Wellenlaenge. Das war am Ende nicht immer so gut: anfangs bin ich in ein neues guesthouse gekommen oder eine Bar und haben mit den naechstbesten personen gesprochen. Innerhalb von 10 minuten war ich voll integriert. Nun kann es vorkommen, dass ich 30 Minuten in einer bar sitze und nur menschen beobachte und mich nicht wohl fuehle. Ersteres hat sicher mehr Spass gemacht 😉
Im gegensatz zu vielen, stellle ich immer mit erstaunen fest, habe ich ein grosses Verlangen danach, die locals, die Einheimischen kennenzulernen. Ich bemerke immer wieder, dass manche meiner freunde, die seit einem Jahr in Phnom Penh wohnen, nicht einen Kambodschaner und bloss eine handvoll khmer worte kennen. Ich kann das nicht verstehen und versuche, in kontakt mit kambodschanern (Thais, indonesiern, Filipinos, Laoten,…) zu kommen. Sei das, wenn ich meinen motofahrer nach seinem Namen und wo er herkommt, frage, ob ich in meinem dorf die einwohner in kleine gespraeche verwickle (mehr sprachkenntnisse hab ich nnciht), ob ich mit zu kambodschanischen parties, karaokeabenden oder einfach nur sitzrunden unter freiem Himmel gehe oder ob ich mich im guesthouse anstatt neben den 3 weissen zu den 3 kambodschanern setze, um mit ihnen zu quatschen. Und ich merke, es ist ein grosser Unterschied 🙂
ich bin sehr viel entspannter, was meine Zukunft angeht. Noch immer weiss ich nicht, was ich einmal machen moechte, ja, meine Plaene, die ich in Deutschland noch hatte, habe ich schon fast komplett zur Seite geschoben. Doch ich habe vertrauen in mich und mein Schicksal, ich weiss, alles wird richtig sein und ich werde die richtigen Entscheidungen treffen. Doch so viele menschen haben mich inspiriert, Menschen, die seit Jahren oder jahrzehnten rumreisen und von Gelegenheitsjobs leben, Menschen, die in der Natur leben, menschen, die ein neues Leben in einem anderen Land angefangen haben.