(Dieser Artikel ist, wie immer, hoch subjektiv. Leute moegen und koennen anderer meinung sein. Es sind bloss meine eigene Gedanken und Beobachtungen)
Welche Bilder hat man vor den Augen , wenn man an Aborigines denkt? NUn, ich hatte immer die Vorstellung von den stolzen Ureinwohnern Australiens, die durch die Wuesten und das Buschland ziehen, jagen, fischen, Spiritualitaet, Bumerangs, Kuenstler.
Hat man diese traditionellen und romantischen Bilder im Kopf, wenn man nach Australien kommt, wird man erstmal richtig schoen enttaeuscht. Die Australier sind nicht stolz auf ihre Ureinwohner. Im Gegenteil. Es herrscht ueberall zwar wenig extremer, dafuer aber gesellschaftlich akzeptierter und tief sitzender Rassismus. Aborigines zerden bloss die „schwarzen Typen“ genannt, mit leicht abfaelligem Unterton.
Und auch die wenigen Aborigines, die man sieht, erschrecken einen: sie leben auf der strasse, sind betrunken oder auf Drogen, betteln oder verfluchen einen – und das soll eines der stolzesten und aeltesten Voelker der Erde sein?
Doch dazu spaeter mehr. NUn erstmal einen kleinen Einblick in die Geschichte der Aborigines:
Aborigines sind eine der aeltesten Voelker der Erde. Noch immer sind sich Wissenschaftler uneinig, wo ihr Ursprung ist, doch vermutlich besiedelten sie Australien von Afrika aus (entweder ueber wasser- oder landweg) vor etwa 40000 -80 000 Jahren.
Aborigines waren ein stark mit der natur verbundenes Volk. Jaeger und Sammler streiften sie durch das (hauptsaechlich trockene) Australien und sammelten essbare Pflanzen, jagten Kaenguruhs etc. Besonders stark verbunden waren sie mit der spirituellen Welt, sie glaubten in Spirits (Geister/Goetter) und ihr Alltag war durch Rituale bestimmt. Besonders bemerkenswert ist dabei ihr Respekt fuer Lebewesen und die natur.
Sie perfektionierten sich in malerei (besonders Hoehlenmalerei), durch die traditionelle geschichten dargestellt wurden, machten Feuerzeremonien und Taenze, waren meister des Bumerangs und hattenm eine klare Gruppenhierarchie.
Privaten Besitz gab es praktisch nicht: man teilte Land und essen, etwas „mein“zuhause oder „mein Tier“zu nennen, das existierte einfach nicht. Besonders das Land, das sahen sie bloss als „geborgt“von Mutter erde an und das als in ihrem besitz zu bezzeichnen, das konnten sie sich nciht vorstellen.
Der Name Aborigines verwirrt uebrigens sehr : Er heisst einfach bloss „Ureinwohner“ und weist auf ein einheitliches Volk hin. Die Aborigines sind aber etliche verschiedene Staemme – etwa 300 komplett unterschiedliche Sprachen mit ca. 600 verschiedenen Dialekten verteilt auf einer Flaeche groesser als Europa! Unter diesen Aspekten erscheint es fast ein Witz von einem einheitlichen „Volk“zu sprechen!
Es gab zwischen 300.000 und 1 Millionen Ureinwohner wenn die europaeischen Einwanderer kamen.
Die ersten Europaeer erreichten Australien 1788. Die Aborigines wraen erstaunt, natuerlich. Sie hielten die weissen Europaer erst fuer Geister, doch von Anfang an hiessen sie die Fremden willkommen. Sie versorgten sie mit Essen willkommen, gaben ihnen Land und machten sich Muehe, einen Kontakt herzustellen. Die Europaeer nahmen das Land gerne an und schnell besiedelten sie dieses Land, bauten haeuser und errichteten Zaeune fuer Kuehe, Schafe und Schweine. Das war natuerlich ganz neu und unverstaendlich fuer die Aborigines.
Doch das erste, was sie von den Europaeern bekamen, waren Krankheiten, gegen die ihr Immunsystem nicht gewappnet war: etliche Aborigines starben von Masern, Tuberkolose, etc.
Die ersten Einwanderer waren wenig interessiert in Australien (es wurde bloss genutzt um Straeftaeter los zu werden) und so wurde eine halbwegs freundliche Beziehung zu den Aborigines gefuehrt. Wenn ueberhaupt so waren sie von historischem Interesse fuer die „Weissen“.
Doch bald wurde Gold entdeckt in Australien und die Besiedlung fing an. Und hier wurden die Aborigines nicht mehr und nicht weniger als Tiere behandelt. Kaum eine Kolonialisierung hat so eine blutige Geschichte wir die Australiens (und die Europaeer waren bei Gottt nie zimperlich bei der besiedlung eines neuen Kontinents, s. die Amerikas, Afrika,…) und die Aborigines wurden wortwoertlich abgeschlachtet.
Es wurde ein Sport, Aborigines zu toeten und maenner kamen abends stolz heim mit Koepfen von Aborigines. Haeufig wurde sogar Geld dafuer geboten, die Aborigines abzuschlachten. Frauen wurden schamlos vergewaltigt, Familien auseinander gerissen und Kinder aus den Familien genommen, die als schadend angesehen wurden, um in weissen Familien aufzuwachsen (meist nicht mehr als ein guenstiger Sklave) – diese menschen leben heute noch und sind als gestohlene Generation bekannt. Die gegenden, die interessant fuer die Weissen waren, wurden komplett von den Aborigines „gesaeubert“.
Und das lief parallel dazu, dass Australien als neues Land der unbegrenzten Moeglichkeiten angepriesen wurde und etliche Europaeer (hauptsaechlich Englaender, man wollte die Bevoelkerung englisch ahlten) herueberkamen – ebenso wie etliche Chinesen, die als billige Arbeitskraefte hereingeholt wurden, wo aber stark aufgepasst wurde, dass sie nicht zu viele Rechte bekommen wuerden und es nicht mehr Chinesen als Englaender hat, das Wichtigste war, Australien „weiss“zu lassen (bzw. zu machen). Die Politik wurde ironischerweise „white Australia Policy (weisses Australien -politik) genannt.
In 1900 war die Population der Aborigines schon auf 93000 gesunken, doch das war wahrlich nciht das Ende. Heute gibt es bloss noch ca. 400 000 Aborigines in Australien!
Das erschreckenste dabei ist wohl, wie lange die offene Diskriminierung der Aborigines anhielt.
Viele Kinder der gestohlenen Generation sind noch immer am leben, hochtraumatisiert.
1938 wurde ein tag des Bedauerns eingerichtet, das erste oeffentliche Statement, dass das Toeten der Aborigines verurteilt.
Die „white australia policy“ wurde 1973 abgeschafft.
1971 bekam die offizielle australische Flagge (eine offensichtliche Adaption der englischen Flagge) Gesellschaft von der Flagge, die fuer australische Aborigines steht – die es aber immer noch nciht zur nationalen F;lagge geschafft hat und die ausserdem zeigt, dass australien noch immer zweigeteilt ist und es nicht EIN australisches Volk gibt.
Doch was war der Stand, als das Bewusstsein allmaehlich daemmerte? Der Grossteil der Kultur der Aborigines wurde zerstoert, es war ihnen Groesstenteils verboten, ihren traditionen nachzugehen, Familien auseinandergerissen und das Land schamlos genommen. Die Aborigines lebten in Reservaten, meist nicht besser als ein Slum, zusammengepfercht ohne Ruecksicht auf ihre Zugehoerigkeitsgruppen.
Und nun ? Versucht Australien, alles wieder gut zu machen. Den Aborigines wird Land zugesprochen, immer mehr (interessanterweise immer nur Land, was fuer oel- oder Gold nicht in Frage kommt), ihnen wurden reperationszahlungen ohne Ende gemacht. Man versucht, die Kultur wieder zu erwecken (und daraus ausserdem eine Geldgrube wegen des Tourismus zu machen). Man versucht, die Lebensstandarte in den Aborigine-Gemeinden zu verbessern. Es werden spezielle Schulen eingerichtet, die ausser englisch und westlichen Dingen auch Tradition und einheimische Sprachen unterrichtet.
Doch alles scheint schief zu gehen, nichts scheint zu wirken. Es scheint kein „richtig“ zu geben, scheinbar kann man nicht „heile“ machen, was zerstoert wurde.
Wenn ich an Aborigines denke, denke ich daran, dass sie innerhalb kuerzester Zeit ihrer kompletten Grundlage beraubt wurden – ihrer Kultur, ihrer Geschichten, ihrer Traditionen. Versuche, Dinge zu behalten, wiederzubeleben, zu erinnern, funktionieren nur teilweise, dafuer war zu viel verloren und dafuer ist der westliche Einfluss zu gross. Ihre Identitaet als Aborigines ist also erschuettert – und offensichtlich hat (zum grossen Teil) auch noch keine zufriedenstellende Integration in die „westliche“ Welt statt gefunden – wie auch, nach so kurzer Zeit?
Sie wissen also nicht wo sie stehen, was genau ihre Identitaet sind. Sie koennen zum Teil noch immer kein englisch sprechen. Sie haben den Alkohol entdeckt, doch, wie viele nichteuropaeische ureinwohner, sind ihre Gene nicht fuer den Zucker im Alkohol ausgestattet – was dazu fuehrt, dass sie sehr viel schneller von Alkohol abhaengig werden als wir „Europaeer“. Das gleiche gilt fuer die westliche Diaet. Aborigines essen heutzutage das gleiche, was wir in Europa essen, doch ihre Gene sind nicht dafuer ausgestattet, was zu einer hohen Zahl von Uebergewichtigen fuehrt.
Dadurch, dass sie vom Staat recht viel Geld bekommen, haben viele das Gefuehl, sie braeuchten nicht arbeiten. Oder sie wollen arbeiten, sind aber mit dem westlichen „weg“ und „arbeitsalltag“ schlichtweg ueberfordert.
Und dann gibt der Staat ihnen Haeuser. Aborigines hatten nie Haeuser. Das meiste, was sie genutzt haben, war ein simples Dach gegen Regen und 2 Waende, die von Wind schuetzten. Nahe der natur schlafen. Sie fuehlen sich nun eingeengt in all den westlichen Haeuser, also ziehen sie es vor, draussen zu schlafen, oder die Moebel nach draussen zu packen. Oder das haus so umzugestalten, dass es halb offen ist. Was sie nicht brauchen, verkaufen sie, und sie teilen alles mit ihren freunden – essen, Haeuser, land. Zaeune, die zwischen ihren Haeusern gezogen werden, werden zerstoert (wofuer braucht man denn Zaeune?).
Das ist allerdings auch bloss ein geringer Teil. Viele Aborigines sind gut integriert, haben gute Jobs, leben wie in der westlichen Welt. Andere Gemeinden mit Aborigines haben eine gute Balance hergestellt zwischen der Wahrung der Traditionen und der Anpassung an das australische System.
Und auf die Weissen, da entstand ein Hass. Logischerweise, shcaut man auf die Geschichte zurueck, und welche Ungerechtigkeiten sie erfahren haben. Noch heute gibt es teilweise spezielle Regelungen fuer Aborigines, es ist haerter fuer sie, einen Job zu bekommen. Ihre Lebenserwartung ist 20 jahre (!) geringer als die der anderen Australiern (Hauptgrund: die europaeischen krankheiten, gegen die ihr Immunsystem noch keine Antiviren hergestellt hat, Herz- und Leberversagen, Diabetes).
Nun aus der Sicht der „Weisen“ (womit ich ganz verallgemeinert alle nonaborigine-Australier meine). Die sehen die Aborigines, die ind en Strassen der Staedte rumlungern, saufen, Drogen nehmen, rumpoebeln. Die hoeren ihren Eltern zu, die noch in einer Zeit aufgewachsen sind, in denen Aborigines oeffentlich als „geringere Rasse“ bezeichnet wurden. Die hoeren in den Nachrichten von Aborigines, die Straftaten begehen. Die hoeren davon, dass Aborigines ihre Haeuser und Autos zerstoeren. Und sie sehen im Fernsehen, dass ihnen wieder Geld gegeben wurde. Und sie haben nie eine wirkliche Aborigine Gemeinde gesehen, von denen es viele gibt, und in denen Weissen der Zutritt verboten ist (es sei denn sie werden eingeladen) und wissen darueber also wenig.
Der Durchschnittsaustralier schlussfolgert: wir schieben denen mehr und mehr von unseren hart verdienten Steuern in den Arsch, und die scheissen drauf. Die zerstoeren, was wir ihnen geben, die versaufen das Geld. Was zu einem generellen Rassismus fuehrt.
Und ich war erschrocken darueber. besonders als ich mit der Kirmes gereist bin und in kleineren Doerfern war – Alltagsrassismus dort ist normal (was vermutlich auch an dem Bildungsdurchschnitt liegt, Diskriminierung haelt sich immer in kleineren Doerfern am meisten – und ich hoffe, ICH bin damit nicht diskriminierend), Aborigine witze an der Tagesordnung, es wird vermieden mit ihnen zu reden (die meisten Aborigines vermeiden allerdings auch gerne, mit uns zu reden) und fast jeder raet mit von den „schwarzen bloss weg zu bleiben“.
Das hat mich sehr geschockt. Besonders einmal, als wir im Outback rumgefahren sind, ist mir der Kontrast bewusst geworden. Ich habe gerade aus dem Fenster geschaut und getraeumt. Typisches Australisches Buschland. Und ich hatte den Tagtraum, zwischen den Baeumen ein paar Aborigine Maenner mit Speeren zu sehen, die auf der Jagd sind – so friedlich. und meine fahrerin faengt aus dem Nichts an, ueber die Aborigines zu schimpfen, dass sie so dumm sind, die geschenkten haeuser zu verbrennen, dass es immer noch Aborigines gibt, die kein englisch koennen…(Und wann haben sie fuer Haeuser gefragt?? Und wie viele Aborigine Sprachen kannst du sprechen??)….
Nunja. ich habe viele gebildete, nette Aborigines getroffen, die egrne mit mir die Politik diskutierten. Oder welche, die mich auf ein Bier eingeladen haben, ganz ohne hintergedanken, bloss weil sie teilen wollten. Aber es stimmt, die meisten Aborigines, die man sieht (ausserhalb der Gemeinden) sind unfreundlich, poebeln, trinken, schmeissen ihr Geld zum Fenster raus…. und, was mich am meisten zum Nachdenken brachte, scheinen tief ungluecklich.. als fehlte ihnen etwas vielleicht?
Was nun zu bessern, das kann ich auch nicht sagen. Rueckgaengig kann man nicht machen, was passiert ist. Auch zu versuchen, sie leben zu lassen wie vor 250 Jahren, ist romantisch, aber einfach nciht mehr moeglich.
Australien ist erstmal auf gutem Wege, politisch gesehen. Es wird mit den Aborigines selbst zusammen gearbeitet, was wohl das Beste ist. Alkohol ist haeufig verboten in den gemeinden – doch ist das ein Entzug der freien Entscheidung oder die intelligentere Wahl? Die Tradition wird versucht, wiederzuholen. Doch hilft es, ihnen mehr Geld zu geben fuer Dinge, die in den letzten Generationen passiert sind?
Ich weiss es nicht, doch der allgemeine rassismus (der uebrigens bloss selten radikal ist, sondern generell eher unterschwellig) ist definitiv ein problem – und damit meine ich den rassismus von beiden Seiten aus. Doch eventuell, in ein oder 2 mehr Generationen wird auch dieser Alltagsrassismus verschwunden sein. Und Aborigines und Weisse werden nicht mehr so untershciedlich sein. Und die Traditionen? die werden wohl auch mehr und mehr verschwinden.
Eine Idealloesung, die gibt es wohl nicht.
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